Sanierungsberater. Sie sprechen nicht vielüber ihre Arbeit. Dabei steigt die Nachfrage nach Spezialisten, die Unternehmen kurieren und restrukturieren. Ein Job für Krisenfeste.

Wäre Dayli zu retten gewesen? Zwei Experten, zwei Antworten. „Vielleicht vor einem Jahr,“ sagt Thomas Jungreithmeir, auf Restrukturierung spezialisierter Geschäftsführer der Managementberatung TJP: „Bei einer abgeschlankten Organisation und etwas weniger ehrgeizigen Expansionsvorhaben.“ Markus Exler, an der FH Kufstein Leiter des österreichweit einzigen Studiengangs für Sanierung und Restrukturierung, ist ganz anderer Meinung: „Ich habe voriges Jahr Hausfrauen gefragt, ob sie dort einkaufen würden. Die sagten schon damals, das Konzept ist nicht mehr zeitgemaß.“

Holt ein marodes Unternehmen einen Sanierungsberater an Bord, folgt der grundsätzlich immer demselben Prozedere. Im ersten Schritt analysiert er die Ist-Situation. Er sorgt dafür, dass weiter Rechnungen und Gehälter gezahlt werden können (Liquiditätssicherung) und stabilisiert den Betrieb so rasch wie möglich (Primärprognose für circa ein Jahr).

Dann legt er den Stakeholdern – Eigentümern, Gläubigern, Banken, Kreditversichern, Lieferanten, Finanzamt, Sozialversicherung – ein tragfähiges Sanierungskonzept und eine Fortbestehensprognose vor (Sekundärprognose für drei bis fünf Jahre). Viel Augenmerk schenkt er auch den Mitarbeitern, deren Vertrauen er gewinnen muss: „Die Guten halten und motivieren, die ,roten Laternen‘ identifizieren und aussortieren“, formuliert es Exler.

Im Folgenden nimmt sich der Sanierungsberater einen Brocken nach dem anderen vor: Er bringt die Passivteile der Bilanz in Ordnung, verhandelt Verträge nach, bewertet Vermögen neu, treibt Forderungen ein oder gestaltet Produktionsabläufe um.

Diskrete Branche

Klappt der Turnaround, sind die Betroffenen meist nicht daran interessiert, allzu viel Information an die Öffentlichkeit zu tragen. Bekannt werden nur die großen Fälle. Jungreithmeirs Musterbeispiel für eine gelungene Sanierung ist der Feuerfesthersteller RHI: „Da die Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet wurden und der Vorstand neu besetzt wurde.“

Beide Faktoren sind bekannte Stolpersteine. Zum einen ist es entscheidend, dass Verfahren frühzeitig und geordnet eröffnet werden. Vorbild ist das Chapter 11, das Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts, dank dem größere überschuldete Organisationen innerhalb von drei Monaten einen an rechtlichen Auflagen orientierten Sanierungsplan erstellen können. Für Exler ist dem Chapter 11 die Rettung der amerikanischen Autoindustrie nach 2007 zu verdanken – ein Kunststück, an dem Deutschland mit der Schließung der Opel-Werke scheiterte. Für Österreich registriert der Experte, dass Sanierungsmaßnahmen immer früher eingeläutet werden: „Vor ein paar Jahren hat man noch gewartet, bis es zu spät war.“

Problemfall Geschäftsführung

Zum anderen geht das Problem oft von der obersten Ebene aus. Exler listet „überzogene Visionen, fehlende kaufmännische Vorsicht und Ignoranz gegenüber den Warnungen des mittleren Managements. Das ist näher am Markt und weiß längst, dass etwas schief läuft.“ Oft kann der Restrukturierer sogar den Austausch des Vorstands initiieren – schwierig wird es nur dann, wenn das Problem am Eigentümer persönlich liegt.

Sanierungsberatern wird ein gehöriges Maß an Analysefähigkeit, Verständnis für Zusammenhänge, Entschluss-, Umsetzungskraft und sozialer Kompetenz abverlangt. An Nachwuchs mangelt es nicht. Für seinen im Herbst startenden Lehrgang kann Exler unter 50 Bewerbern wählen. Plätze hat er gerade einmal 18 zur Verfügung.

Andrea Lehky (Die Presse)

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