Österreichs IT-Unternehmen wachsen dynamisch. Die Investoren scheinen aber zu risikoscheu, die steuerlichen Anreize zu gering, um die Ideen im Land zu halten.

Wien. „2 Minuten 2 Millionen“ heißt eine Sendung, bei der sich eine Handvoll heimischer Privatinvestoren zur Entscheidung durchringt, ob sie ein junges Unternehmen finanziell unterstützt. Die in der Show investierten Summen lassen Zuseher vermuten, Österreichs Gutbetuchte würden sich nur so um Beteiligungen an jungen, kreativen Unternehmen reißen.

Doch die Berater der auf Transaktionen spezialisierten Wiener Kanzlei TJP winken mit einem Seitenblick auf den Gesamtmarkt ab. „In Österreich sind vermögende Personen sehr risikoscheu. Wenn man mit Stiftungsvorständen redet, sind das Höchste der Gefühle Immobilien“, sagt Partner Christian Hurek. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Jungreithmeier hat er die Transaktionen in der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche (ICT) des Jahres 2015 analysiert. Ihr Fazit: Die heimische Start-up-Szene ist ein Wachstumstreiber. Ebenso sind es Geschäftsfelder wie IT-Sicherheit, Big Data und Industrie 4.0. Was wie eine Anhäufung von Modeschlagwörtern klingt, habe Wien in den vergangenen drei Jahren zum Drehkreuz für IT-Unternehmen werden lassen, die internationale Käufer anziehen.

2015 konnte die Branche nach Erhebungen von TJP über dem Schnitt des allgemeinen Wirtschaftswachstums von 0,9 Prozent zwei Prozent zulegen. Doch die IT-Unternehmen würden ab einer bestimmten Größe das Land verlassen. „Was natürlich noch fehlt, ist das Risikokapital wie in anderen Ländern“, sagt Jungreithmeier.

Das Berliner Geld ruft

Große Übernahmen wie die der Fitness-Software Runtastic zögen zwar langsam verstärkt Privatkapital an. „Derzeit machen es die erfolgreichen Start-ups aber so, dass sie irgendwann ins Ausland gehen“, sagt Jungreithmeier. Er verweist auf die geballte Präsenz erfolgreicher Österreicher in Berlin. Bei Übernahmen heimischer IT-Unternehmen kamen in den vergangenen fünf Jahren zu 65 Prozent ausländische Käufer, vor allem aus Deutschland und den USA, zum Zug. Um Start-ups in Österreich zu halten, brauche es laut den TJP-Analysten nicht noch mehr staatliche Hilfen, sondern größere private Venture-Capital-, also Risikokapital-Fonds. Und die Einführung der oft geforderten steuerlichen Erleichterungen bei der Abschreibung von Verlusten aus solchen Beteiligungen. Doch nicht nur die Risikoscheue und die steuerliche Unattraktivität sehen die beiden als Hemmschuh. Jungreithmeier: „Ich sehe in Gesprächen, dass viele Investoren sehr lokal denken.“ Die theoretische Skalierbarkeit, sprich die Möglichkeit, mit dem Unternehmen in kürzester Zeit auf dem globalen Markt mitzuspielen, sei das Um und Auf in der Branche: „Probieren wir einmal Österreich aus“ sei da der falsche Ansatz.

Auch wenn die Investoren mit wenigen Ausnahmen nicht in globalen Maßstäben denken, tun es die Jungunternehmen. Laut einer Umfrage des WU-Gründungszentrums unter 121 Start-ups ist knapp ein Drittel weltweit vertreten. 89 Prozent verfolgen eine globale Strategie. Die Umfrage zeigt auch die mangelnden privaten Gelder bei der Frühphasenfinanzierung auf. Junge greifen davor auf das eigene Ersparte, das der Familie und auf staatliche Förderungen zurück. Eine frohe Botschaft für ausländische Geldgeber, die Österreichs IT-Szene anzieht. Jungreithmeier: „Natürlich wäre es besser, wenn man die Firmen stärkt und ihnen dann hilft zu expandieren. Aber da schließt sich der Kreis zu den Rahmenbedingungen.“ (loan)

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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